By Marius Goebel // 20. August 2017
Die Entwicklung des Digital Health Care Marktes
Welche gesellschaftlichen und technologischen Trends unser Leben beeinflussen werden.
Wie wird die Welt, die wir heute kennen, in 30 Jahren aussehen? Wie werden wir leben? Wie werden der rasante technologische Fortschritt sowie der demografische Wandel unser gesellschaftliches Zusammenleben, die Weltpolitik und die Wirtschaft beeinflussen? Welche gegenwärtigen sowie zukünftigen Trends, Produkte und Technologien werden neue Energie-, Kommunikations-, Versorgungs- und Gesundheitskonzepte hervorbringen?
Ulrich Eberl beschreibt das Leben im privaten Umfeld im Jahre 2050 wie folgt: „Im Jahr 2050 werden winzige Sensor- und Kommunikationselemente in allen Dingen stecken, das Haus wird ebenso Sinnesorgane bekommen wie das Auto. Fast unsichtbare Wohlfühlsensoren werden Gerüche messen, „ …“ Winzige Sensoren werden, beispielsweise in Form eines Ohrsteckers, die Blutwerte im Körper checken und nach vagabundierenden Krebszellen suchen – damit die Ärzte des Jahres 2050 schnell eingreifen können, wenn Infektionen, Krebserkrankungen oder Herz-Kreislauf-Probleme drohen. Viele 100-Jährige werden dann so fit sein wie 70-Jährige heute.“
Aktuelle Produkte und Trends unterstreichen diese Zukunftsvision
Es stellt sich dabei die Frage, ob eben diese Beschreibung der Zukunft nicht schon vor dem Jahr 2050 Realität sein wird? Aus Sicht der Technologen wäre diese Zukunftsvision bereits heute technisch umsetzbar. Doch die fortschreitende technische Entwicklung kennt auch kritische Stimmen, denn gerade im Health Care Bereich ist das Thema Datenschutz heiß diskutiert. An dieser Stelle ist weniger eine technische, als vielmehr eine gesellschaftliche sowie ethische Betrachtungsweise von Nöten.
Track me if you can
Ungeachtet der bestehenden Problematiken im Bereich Datenschutz zeigen aktuelle Marktzahlen bereits heute einen deutlich positiven Trend für Wearables und vergleichbare technische Features. Im Jahr 2013 wurden 50 Millionen kleine Fitness- und Gesundheitstracker verkauft. 2014 waren es schon 90 Millionen solcher Geräte. Besonders Freizeit-Sportler hegen eine Affinität zu den kleinen Fitness- und Gesundheitstrackern mit ihren vielen Zusatzfunktionen. Dazu zählen beispielsweise das Widerspiegeln von Biofeedback oder das Tracken und Erkennen von Bewegungen, welche direkt einer Sportart zugeordnet werden. Die neusten Wearable Modelle erstellen umfangreiche Profile bei vielen sportlichen Aktivitäten wie Snowboarden, Radfahren oder beim Training im Fitnessstudio. Eine von Statista durchgeführte Umfrage zur Nutzung von Smartwatches und Fitness-Trackern am Handgelenk in Deutschland zeigt auf, dass 9 % der 16- bis 29-Jährigen, 7 % der 30- bis 49-Jährigen und 4 % der 50- bis 69-Jährigen bereits Fitness-Tracker nutzen. Von den 16- bis 29-Jährigen planen 25 % den Kauf eines Wearables. Bei den 30- bis 49-Jährigen sind es 18 % und bei den 50- bis 69-Jährigen 11 %.
Wearables als Türöffner
Ihren Siegeszug haben die kleinen technischen Geräte somit im Freizeitbereich angetreten. Die User erkannten den Mehrwert des Datentrackings bei sportlichen Aktivitäten und übertrugen dieses Verhalten in ihren Alltag. Das Tracken des Schlafrhythmus, das Zählen von Schritten und gestiegenen Treppenstufen etc. mittels kleiner technischer Devices konnte sich bereits im Alltag vieler Menschen etablieren. Die aus den sportlichen und alltäglichen Aktivitäten der User gemessenen Daten ließen bereits erste Gesundheitsempfehlungen zu – beispielsweise die Erinnerung, während und nach dem Sport genügend Wasser zu trinken oder die Aufforderung besser auf seinen Schlafrhythmus Acht zu geben. Die Akzeptanz dieser technischen und digitalen Geräte, zur Verbesserung der eigenen Gesundheit einzusetzen, wächst zusehends. Somit ebnet der Sport- und Freizeitsektor den kleinen Gesundheitsbegleitern den Weg in den Health Care Bereich.
Die großen Player
Vor dem Hintergrund der noch offenen Fragen im Bereich Datenschutz und Datensicherheit konnten sich diese technischen Geräte im Bereich Health Care jedoch noch nicht etablieren. Das Potenzial von Wearables und Co. zur Gesundheitsvorsorge ist fraglos groß. Unternehmen wie Samsung, Google, Apple und andere führende Technologiekonzerne betreiben immensen Aufwand in der Entwicklung von Wearable Technologien und Anwendungen, um hier die Marktführerschaft zu erlangen.
Die gesellschaftliche Entwicklung als Treiber der Digitalisierung
Der demografische Wandel – also die Veränderung der Struktur der Bevölkerung in Bezug auf Alter und Größe – kann hierbei sowohl als Herausforderung sowie auch als Chance identifiziert werden. Mit dem demografischen Wandel wird gegenwärtig v.a. ein Umbruch in der Bevölkerungsentwicklung aufgezeigt, der auf einen Rückgang der Geburtenhäufigkeit zurückzuführen ist. Da diese niedrigere Populationsdichte nicht mehr für eine ausgeglichene Reproduktion der Bevölkerung ausreicht, steigt zugleich das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung. Der Bevölkerungsschwerpunkt verlagert sich zunehmend zu den Jahrgängen der älteren und hochbetagten Menschen. Mit dem steigenden Anteil der älteren Menschen wird auch der Anteil der Menschen anwachsen, die pflegebedürftig werden. Konservative Schätzungen gehen laut aktuellem Pflegereport der DAK davon aus, dass sich der Anteil der Pflegebedürftigen bis 2050 verdoppeln wird, auf 4 Millionen Menschen. Im Jahr 2030 werden in Deutschland voraussichtlich noch rund 77 Millionen Menschen leben. Dies entspricht einem Rückgang der Einwohnerzahl gegenüber dem Jahr 2008 von fast fünf Millionen Personen. Zur gleichen Zeit werden die Familienstrukturen immer kleiner – ein weltweites Phänomen, das nicht nur Deutschland und andere Industrienationen betrifft, sondern auch die Schwellen- und Entwicklungsländer erreicht hat. Der erhöhten notwendigen Betreuung stehen somit immer kleinere Familienstrukturen gegenüber, für die es schwer wird, die Familienangehörigen zu pflegen. Aus diesem Grund wird mit einer steigenden Nachfrage an medizinischen und sozialen Pflegedienstleistungen gerechnet. Dieser steigenden Nachfrage werden jedoch weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen – denn auch hier wird mit einem Rückgang der Personen im erwerbsfähigen Alter gerechnet.
Die Rolle technischer Lösungen im Kontext des demografischen Wandels wird stark zunehmen
Der demografische Wandel und die damit einhergehende sozioökonomische Entwicklung sind somit große Herausforderungen für unser gegenwertiges Gesundheitssystem. Um dieser Herausforderung begegnen zu können, gilt es, nachhaltige Lösungen für Pflege-, Sozial-, und Gesundheitssysteme zu finden. Der Digital Health Care Markt wachsender und zugleich volatiler Markt, der von vielen international agierenden Playern als Geschäftsfeld identifiziert wurde. Die Umsatzprognose des weltweit agierenden, digitalen Gesundheitsmarktes bis zum Jahr 2020, liegt etwa bei 240 Milliarden US Dollar.
Dieses weite und durch Regulatorien gespickte Feld wird kein Unternehmen für sich alleine aufrollen können – ich denke für heutige und zukünftige Player sind vor allem zwei Schlüsselfähigkeiten entscheidend:
- Das aufbauen von technischem Know How bzw. des entsprechenden Ökosystems
- Die eigene Kooperationsfähigkeit um in Partnerschaften oder Ökosystemen die jeweiligen Schlüsselfähigkeiten zu kombinieren und somit nachhaltige Marktführerschaft zu erlangen
Ich bin gespannt obgleich der nächsten Schritte der heutigen Platzhirsche auf dem Digital Health Care Markt – jedoch noch viel mehr, ob und welche neuen Player sowie Technologien diesen Markt künftig erobern werden …
References
Andrew Michael (2014): Wearable Technology and Wearable Devices.
Alan Jermyn (2015): Wearable electronics: Creating challenges & opportunities for connector manufacturers.
Arthur D. Little, GSMA, Allied Market Research, Accenture, IHS Global Insight, MarketsandMarkets (2014): Umsatzprognose zum weltweiten digitalen Gesundheitsmarkt nach Segmenten in den Jahren von 2013 bis 2020.
Eugene Borukhovich (2016): How will wearables impact the consumer healthcare marketplace?
Florian Schumacher (2014): Die Zukunft der Wearables.
Karl-Heinz Hillmann (2007): Wörterbuch der Soziologie.
Reiner Klingholz (2014): Sklaven des Wachstums.
Statisches Bundesamt (2011): Demografischer Wandel in Deutschland.
Statista (2015): Nutzung von Smartwatches und Fitness-Trackern nach Alter und Geschlecht.
Stephanie Lo, Kenneth Rogoff (2014): Secular Stagnation, debt overhang and other rationales for sluggish growth.
Ulrich Eberl (2011): Zukunft 2050 – Wie wir schon heute die Zukunft erfinden.
Wilfried von Eiff, Kerstin Stachel (2006): Unternehmenskultur im Krankenhaus.
Credit // Hugo Sousa